Kunst aus Eisen und Stahl.
Stahlreport 3/2000
Der nüchtern-sachliche Umgang mit den Werkstoffen des Stahlhandels im Tagesgeschäft darf nicht den Blick für die ästhetischen Seiten verstellen. Die Betrachtungen von Edmund Schruff sollen in möglichst vielfältiger Weise auf die schöpferische Fülle aufmerksam machen, die Kunstschaffende aus dem spröden Material lebendig werden lassen. Vor allem aber sollen sie anregen, selbst auf die Suche nach des Eisens schönen Seiten zu gehen und sich damit auseinanderzusetzen. Denn Skulpturen sollte man eigentlich live erleben!
Die regelmäßigen Leser dieser Serie erinnern sich, dass in den Heften 12/98 und 1/99 Kunstwerke besprochen wurden, die den Westfälischen Frieden von Münster und Osnabrück zum Thema hatten. In der vorliegenden Folge wird ein Werk vorgestellt, das schon 1995 errichtet wurde und von einem Künstler stammt, für den das Wort Friede von besonderer Qualität ist.
Richard Wake, 1935 in Kapstadt geboren, in einer Familie britischer Herkunft und europäischer Prägung aufgewachsen, studierte in der Kunstakademie seiner Geburtsstadt, anschließend ein Jahr in Stuttgart und zwei Jahre in Paris, kehrte 1962 nach Kapstadt zurück. Dort war er bis 1973 als Dozent für Bildhauerei an seiner früheren Ausbildungsstätte tätig und fand schon früh Anerkennung, so dass er 1970 ausgewählt wurde, Südafrika auf der Biennale in Venedig zu vertreten. Sein Land wurde aber wegen seiner Apartheidpolitik wieder ausgeladen. Das bedeutete für ihn künstlerische Isolation. Er verließ 1973 das Land und wanderte nach Deutschland aus, wo er bereits 1969 wichtige Kontakte geknüpft hatte. Er erhielt die deutsche Staatsbürgerschaft und fing in Lingen/Ems sowie später in Osnabrück als Kunsterzieher ein neues Leben an.
1994 gewann Richard Wake einen Wettbewerbn den der Flughafen Münster-Osnabrück anlässlich des Neubaus seiner Empfangshalle ausgeschrieben hatte. Das Thema lag so sozusagen in der Luft: Der Westfälische Friede von 1648, der bekanntlich nach jahrelangen Verhandlungen in Münster und Osnabrück geschlossen worden und fast als ein Weltwunder anzusehen war, weil er den Dreißigjährigen Krieg beendete.
Es ist eigentlich eine Denkmal-Anlage. Zwei exakt gleiche, je fünf Meter hohe und tiefe sowie einen Meter breite Treppentürme aus Stahl stehen einander in zehn Meter Abstand gegenüber, jedoch nicht aggressiv-frontal, sondern um etwa drei Meter aus der Achse parallel versetzt. Sie symbolisieren die katholischen (Münster) bzw. die protestantischen (Osnabrück) Verhandlungsparteien. Stahl, eigentlich Lieblingswerkstoff des Künstlers, steht für Härte, Starrheit, Feindseligkeit und Kälte. Vier Stufen führen hinauf zu einer formalen Dopplung der Stufenelemente, einem exponierten Sitz oder Thron ähnlich, der Besitz und Macht, aber auch Isolation, Vereinsamung und damit Angreifbarkeit repräsentiert. Alles deutet hin auf Trennung, aussichtslose Gegensätze, Unvereinbarkeit aus, nationalen, politischen und religiösen Gründen.
Jedoch: Ein Abstieg über die hohen Stufen ist denkbar, erfordert nur Willen, Überwindung, Kraft und Mut, um den kurzen Weg zum Treffpunkt in Gestalt einer Ronde von 5 m Durchmesser aus dem eher weichen, warmen Kupfer zu betreten. Die Ronde ist Symbol der Überwindung gegensätzlicher Positionen. Die quer auf die Ronde zulaufenden Wege laden ein, von außen hinzuzutreten, sich zu beteiligen. Von dieser gemeinsamen Ebene aus kann man neue Wege beschreiten, in alle Richtungen friedlich weiter- und auseinandergehen – „nicht nur historisch, sondern im Hinblick auf Gegenwart und Zukunft. Betritt ein Betrachter die Anlage, so wird er zum Akteur, der die dargestellte Situation aktualisiert“ (Richard Wake).
Die Türme sind aus Cortenstahl gebaut, dem in Werken dieser Serie häufig vorkommenden Stahl, der oberflächlich an-, aber nicht weiter- oder durchrostet. Die natürliche Patina der beiden Werkstoffe Stahl und Kupfer bietet belebende Kontraste. Richard Wake, 1995: Der Westfälische Frieden; Cortenstahl 15 und 30mm dicke, Kupferrounde 15mm Dicke; Gesamtgewicht ca 15t; technische Konzeption, Ausführung und Montage: Kunstgußteam Grundhöfer GmbH, 63843 Niedernberg; Standort: Empfangsgebäude des Flughafens Münster-Osnabrück.